Samstag, 1. März 2014

Aufbruch zur «grauen Stadt am Meer»

Donnerstag, den 27. Februar A.D. 2014

Wieder ein sonniges Erwachen. Schon der dritte Sonnentag erwartet uns. So schön es auch war in Sankt Peter Ording, es zieht uns weiter, wir wollen zum Stellplatz Simonsberg bei Husum.
Lichtübergossene schmale Strasse, flache Wiesen, gräbendurchzogen, ein schwach wahrnehmbarer Horizont in unendlicher Ferne. Kaum trifft man einen Menschen oder ein Fahrzeug. Selten ein Haus am Rande, dann wieder unbehinderte Weite, ab und zu einige Schafe wie zur Dekoration aufgestellt, damit die Landschaft nicht so leer erscheint.



Wir fahren an einem Sod vorbei. Ein Fischreiher fliegt auf, der hier wohl keinen Fisch gefangen hat.


Mehrmals passieren wir den Deich durch Flut-Tore, durch die die Strasse geführt wurde. Bei Hochwasser werden sie geschlossen, dann hört die Strasse hier auf und es gibt nur noch den Rückwärtsgang.


Heut ist alles gut. Wunderbares Wetter und die satte Brise ist normal.
Wir kommen am grossen Hauptdeich vorbei und halten auf der Landseite.


Eine Deichbesteigung eröffnet den schier unendlichen Blick über das Wattenmeer.





Alles wirkt fast momochrom, ausser, wenn wie heute die Sonne so überschwänglich scheint. Gegen den Horizont lässt sich ein Schiff erahnen, ein lichter Schemen, dessen Wirklichkeit unsicher ist. Diese Unsicherheit wird dadurch verstärkt, daß keine Bewegung wahrnehmbar ist. Auf dem Foto war das Schiff dann auch unsichtbar.
Für ein paar Tage steht alles im Gegensatz zu dem Bilde, das uns der Dichter aus Husum, Theodor Storm gezeichnet hat
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn' Unterlass;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
[Theodor Storm,  1852]

Der Wind ist, wie immer hier, frisch und stetig. Wir halten es mit dem Wind und ziehen weiter.
Der Weg führt durch einen Ort mit dem romantischen Namen Kotzenbüll. Es ist ein Ort ohne Häuser. Wer noch kein Haus hat, der baut auch hier wohl keines mehr. Ob es je ein Mensch versuchte, ist uns nicht überliefert. Dann kommt uns der Wegweiser: Simonsberg entgegen.



Die «Diekstraat» (Deichstraße) gibt es hier überall.
Ein Abzweig, die Rampe über den Deich, und landeinwärts wieder herunter, schon sind wir auf dem Stellplatz. Alles ist riesengroß, kein Mensch, kein Wohnmobil weit und breit und wir lassen das Umfeld mal auf uns wirken. Auswahl des Standplatzes ohne Ende, sauber einparken und die Rezeption suchen. Dort soll man sich anmelden.
Auf dem Weg zur Rezeption kommt uns ein riesengroßer Mann in knallrotem Pullover entgegen. So etwa hatte ich mir einen Wikinger vorgestellt. Er war allerdings ohne Helm und Schwert. Vielleicht ein sesshaft gewordener Nachfahre? Er geht auf uns zu und ruft zu uns herüber:
«Na, wollt ihr einfach mal gucken?»
Er macht doch einen eher friedlichen Eindruck. «Nee, wir wollten hier mal 'n bisschen bleiben und übernachten.» Die Antwort war klar: «Hier ist aber noch zu!»
Wenn's auch nicht so aussah, wir mußten das wohl oder über akzeptieren. Er gab uns die Empfehlung zum Lilienhof. Der Platz mit dem schönen Namen habe geöffnet. Ganz in der Nähe, nur etwa 22 km. Sonst sei in weiterem Umkreis und nach Norden sowieso noch alles zu. Na gut, also weiter, auf zum Lilienhof nach Tönning an der Eider, nahe dem Eidersperrwerk, an dem wir anfangs schon vorbei kamen. Die «graue Stadt am Meer» musste auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.
Der Platz ist groß mit altem Baumbestand. Verstreut stehen hier und da einige alte Wohnwagen herum. Man sieht, daß hier lange niemand aufgeräumt hat. Kein Mensch weit und breit. Dafür ein großer schwarzer Hund, der uns schwanzwedelnd entgegen kommt. Ein freundlicher Geselle, verspielt und ganz ohne Gebell. Nach einer Weile, während wir uns durch die angehefteten Texte lesen, um die Modalitäten des Platzes zu erfahren, erscheint die Besitzerin, die uns freundlich begrüsst. Wir seien die einzigen Gäste um diese Zeit, wir könnten stehen, wo wir wollten, Strom sollten wir ablesen, wenn wir ihn brauchten. Wir brauchen keinen, unsere Solaranlage liefert alles notwendige.
Wir stehen zwischen hohen Bäumen, hinten eine verlorene Baumaschine, vorne dämmert ein Sod vor sich hin. Am Himmel gibt es auf einmal Leben, unablässig kreischende Wildgänse in einem riesigen Schwarm kreisen über uns, formieren sich immer wieder neu, nicht ohne jeden Richtungswechsel eingehend und lautstark zu beschnattern. Ein spannendes Spektakel. Den Hund interessiert das nicht. Er scheint nicht viel von der fliegenden Geschwätzigkeit zu halten. Er will spielen, erdgebunden, geworfene Stecken fangen und zurückbringen. Seine Kommunikation ist lautlos, geschieht mit dem Schwanz - wedelnderweise. Rosie will ihn fotografieren, den Hund, aber der ist kamerascheu. Immer, wenn eine Linse auf ihn gerichtet ist, dreht er ab, zeigt höchstens sein Hinterteil oder läuft ganz davon.
Noch eine kleine Fahrradtour in das Dorf Tönning, ein Blick auf die Eider. Der Himmel zieht sich langsam zu. Das Grau will uns wieder einholen.
In der Nacht ziehen schwere Wolken auf, die recht Wasser geladen haben. Es regnet und am Morgen hat sich der Himmel zur Gänze in ein drückendes Dunkel verwandelt. Das Grau ist zurück gekehrt. Wir machen uns zur Rückfahrt bereit.
Noch ein kleiner Abstecher zum «historischen Hafen» in Tönning mit einer Café-Pause im Womo, im «Café On Board», dann legen wir ab. Der Regen zieht mit uns, wir halten Kurs auf Hamburg.




Der Nordostsee-Kanal wird überquert, ein Containerschiff unter uns fährt in die Ostsee.


Es dauert noch eine Weile, bis wir durch Landstrassen und kleine Trabantenstädte die Hamburger Grenze erreichen. Der Regen hat langsam aufgehört. Es ist Nachmittag geworden.
Wir sind erstmal wieder zurück in Hamburg, wettern mal ab, und erwarten Besuch...
Mal schauen, was die Flut bringt....

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